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Dieses Thema hat 6 Antworten
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 Archiv Psychotanten
Freak ( gelöscht )
Beiträge:

18.06.2001 01:44
RE: Hospitalismus und die Motivationsfrage Thread geschlossen

Hallo,

mein ganzes Leben lang (über 30 Jahre) leide ich jetzt schon unter verschiedenen Störungen, die alle dem "Hospitalismus" zuzurechnen sind. Aufgrund dessen war es mir noch nie möglich, eine tiefere Beziehung aufzubauen (meine letzte liegt jetzt 16 Jahre zurück), alle scheiterten an meiner Unfähigkeit, meine Empfindungen mitzuteilen, Vertrauen zu entwickeln, mich zu "öffnen". Spätere Versuche, wieder Beziehungen aufzubauen, scheiterten ebenfalls daran (insgesamt - nach für mich geradezu quälenden inneren "Kämpfen" - 3 in den letzten 16 Jahren; der letzte ist gerade gescheitert): Zwar konnte ich mich - nach einer Weile - brieflich "öffnen", doch wenn es dann zu einem Treffen kam, verstockte ich wieder, verstummte und erschien teilnahmslos, desinteressiert, abweisend, verschlossen, verfiel währenddessen ins Grübeln.

Nach dem vorletzten Scheitern - es liegt jetzt vier Jahre zurück - drohte ich völlig zusammenzubrechen, und ich konnte mir nur noch dadurch helfen, daß ich das Phänomen "Emotionen" - bzw. seine Manifestationen, Symptome - einer rationellen Analyse unterzog, die mir damals zwar ermöglichte, die erneute Ablehnung relativ unbeschadet zu "überstehen", mich aber gleichzeitig davon überzeugte, sie seien lediglich "Funktionsstörungen", die den Verstand trübten und keine besondere Bedeutung im Leben eines Menschen haben sollten. Damit konnte ich recht gut leben - bis es vor ca. einem Jahr zu einem Kontakt mit einer Person kam, die aufgrund unserer Briefverkehrs sehr viel für mich empfinden sollte - bzw. sich dies einbildete. Wir schrieben uns ein ganzes Jahr lang, ehe wir uns zum ersten Mal trafen - und wir konnten uns gegenseitig über alles schreiben, selbst über unsere "Macken" und Probleme. Ja, ich konnte sogar erstmals über meine Störungen schreiben (was mir sehr schwer fiel und viel bedeutete) - doch selbst das hielt sie nicht davon ab, mir ihre Verbundenheit, Bewunderung meiner "Stärke", die sie meinen Briefen entnehmen zu können glaubte, ihre Zuneigung, unsere "Seelenverwandtschaft" (nicht meine Wortwahl), die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft zu versichern und darauf, daß sich an ihren Gefühlen für mich nichts ändern könne und würde, komme, was da wolle, und schließlich - sich mit mir treffen zu wollen (ich selbst traute mich nicht, den Wunsch zu äußern). Ich ließ mich von der Hoffnung und dem Optimismus, der Zuversicht dieser Person anstecken, schöpfte sogar selbst wieder echte Hoffnung.

Das Treffen erwies sich erneut als Fehlschlag. Als wir uns gegenüberstanden, schaffte ich es zwar, sie zu umarmen - doch nach einer Zeit, als ich merkte, daß sie für die Dinge um uns herum mehr Interesse aufbrachte als für mich, verfiel ich wieder in meine alte "Verschlossenheit" (um deren Bedeutung die andere Person wußte - und die ich an diesem Tag einmal mehr "bewußt" erlebte, dagegen aber einfach nicht ankam), und einen Tag nach dem Treffen teilte sie mir mit, sie habe eine Wandlung durchgemacht - all ihre Empfindungen der vergangenen Monate, alle meine vermeintlichen "Fortschritte" und Hoffnungen wurden schlagartig ad absurdum geführt.

Dieser "Korb" war das letzte, was ich von der Person lesen sollte, danach herrschte Funkstille. Sie bezeichnete mich zwar selbst noch in diesem Schreiben, daß sie übrigens ziemlich einfühlsam verfasst hatte (zumindest wirkt es auf mich so), als "liebenswert", "liebenswürdig", und beschwört, ich hätte "nichts falsch gemacht", es läge nicht an mir, sondern allein an ihr und daß sie den "virtuellen Kontakt" mit mir geniessen würde - doch dies erscheint mir schlichtweg absurd, unglaubwürdig - das scheint durch ihr konsequentes Schweigen hinreichend bestätigt zu werden. Ich hatte ihr danach noch schriftlich versichert, daß es so etwas wie eine "Schuldfrage" nicht gebe, sie sich nichts vorzuwerfen hätte und wir - wenn es wirklich ihr aufrichtiger Wunsch sei - weiterhin in Kontakt bleiben könnten (wobei ich extra darauf hinwies, daß ich sie sehr wohl verstanden hätte und ich mir keinen falschen Hoffnungen machen würde), doch sie schweigt. Auch meine Bitte, es mir doch wenigstens mitzuteilen, wenn sie einen weiteren "virtuellen Kontakt" doch nicht mehr wünschen sollte, blieb ohne Reaktion - und ich hätte es ihr sehr einfach gemacht (ein einfaches "stop" als Betreff hätte mir schon gereicht) - eben ein zweifelsfreier "Schlußstrich".

Daß sie noch nicht mal dazu mehr fähig ist, setzt mir mehr zu als alles andere. Die Ablehnung an sich kann ich mir durch "inkompatible Chemie" erklären - also durch etwas, worauf man selbst nicht den geringsten Einfluß hat, doch diese wäre dann doch unabhängig von der "Seele(nverwandtschaft)", der Psyche, dem innersten Wesen einer Person - was an mir angeblich so geschätzt wurde - , so daß doch wenigstens dieses einmalige Vertrauensverhältnis hätte aufrecht erhalten werden können.

Alles in mir versucht nun, mir einzureden, daß schon der Anblick meines Namens eine solche Abscheu bei ihr erwecken muß, daß sie alles übersteigt, was sich in dem Jahr zuvor ergeben und vertieft hatte, und ich merke, wie ich wieder in die alten Abgründe, dieselben Komplexe verfalle wie zuvor - nein, noch schlimmere: Denn ich befürchte, daß ich mich nie wieder einer Person so öffnen kann wie ihr (nicht nach dieser restlosen Ablehnung, als die ich sie empfinde) - und daß dadurch alles noch schlimmer, noch unerträglicher, noch quälender, noch schwieriger, eine Heilung noch unwahrscheinlicher - wenn nicht sogar unmöglich wird, zumal in meinem Alter.

Psychiologen und Co. vertraue ich nicht - "Der Neurotiker baut die Luftschlösser, der Psychiotiker wohnt darin - und der Psychiater kassiert die Miete" (oder so...), aber ich denke, daß man es selbst durchaus in der Hand hat, eine Heilung anzugehen und herbeizuführen - aber nicht ohne die Bestätigung und Erfahrung, daß es die Mühe, die inneren Kämpfe, wert ist. Wie kann man sich selbst motivieren, wenn es sonst niemand tut?

Ich hoffe - nein, bete inständig, daß es hier jemanden gibt, dem die Problematik vertraut ist und der aus eigener Erfahrung berichten kann, wie er einer vergleichbaren Sache Herr geworden ist---

Bleibt noch zu erwähnen, daß mein Bekanntenkreis gleich Null ist, meine Interessen sehr speziell sind und sich fast alles nur noch in meinem Kopf abspielt abgesehen von der Zeit, während der ich arbeite - aber auch dort bin ich meist für mich, möchte niemand so recht was mit mir privat zu tun haben.

Ach shit, wozu schreib ich das überhaupt---

Naja, vielleicht auch deswegen, um andere für "Typen" wie mich zu sensibilisieren - damit sie merken, daß nicht alles, was nach außen "gezeigt" wird, auch der Realität entspricht oder gewollt ist. Es gibt Menschen, die können nicht anders - nicht aus sich heraus, und zumeist erst recht nicht, wenn ihnen ein anderer wirklich etwas bedeutet - denn da fiel es zumindest mir umso schwerer, mich zu öffnen - und daß auch erst nach einer sehr, sehr langen Zeit intensiver Kämpfe gegen den "inneren Schweinehund", der alle Hoffnungen per se vereiteln möchte.

Und ich stelle die Frage, ob Emotionen letztendlich nicht wirklich nur eine Art "Funktionsstörung" sind - wenn der biologische Imperativ alles andere in den Schatten zu stellen vermag und solch eine Abscheu hervorrufen kann, daß schon der blosse Gedanke an eine Person jeden weiteren - zumal den unpersönlicheren - Kontakt unmöglich macht?

Und wie es kommt, daß derselbe "Typ" Mensch (sei es äußerlich oder innerlich) immer gleich reagiert?

Doch ich drehe mich geistig wieder im Kreis...

Ich weiß nicht mehr weiter.

miriam ( gelöscht )
Beiträge:

21.06.2001 12:51
#2 RE: Hospitalismus und die Motivationsfrage Thread geschlossen

>hallo freak,

mein gott, kònnt ihr lange schreiben. mein kleiner sohn mag es nicht, dass ich mich mit anderen sachen beschàftige, also lese ich immer wieder dann, wenn er schlàft. nur, ich muss auch andere sachen in dieser zeit machen, so dass ich mir das lesen immer aufteile. ich habs jetzt geschaft, dein erstgeschriebenes und das von der margaret zu lesen. dein zweitgeschriebenes muss ich mir fuer spàter aufheben.

hey freak, was soll ich dazu sagen, ich kenne alles was du schilderst teilweise von mir teilweise von meinen geschwistern. die problematik ist mir sehr sehr bekannt. bei der lektuere habe ich mich oftmals wiederentdeckt.

fuer mich fàllt es sehr schwer, hierzu ein kommentar abzugeben, weil ich selbst -genauso wie du- darin stecke. meine gedanken sind so verschwommen, mein gehirn hat sich etwas von mir entfernt, vielleich deswegen, weil ich stark erkàltet bin.

aber oftmals fragte ich mich, wie ich aus dieser ganzen misere rauskommen sollte, ich stellte fest, ich muesste mich so akzeptieren wie ich bin. egal wie ich bin. ich bin so wie ich bin.

bis zu meinem 20 lebensjahr ging es mir beziehungsmàssig genauso wie es dir erging, ich war verschlossen, konnte kaum reagieren, sobald ich mit dem mann, der mir gut gefiel - alleine - dasass. obwohl ich in der gesellschaft ganz normal und gesellig erschien, war ich verklemmt, verunsichert, verstòrt. die wussten immer nichts mit mir anzufangen. also gab es oftmals kein zweitesmal.
es kam auch noch hinzu, dass ich mich teilweise vor ihnen eckelte. ich kann mich erinnern, als mich mein "freund" mich auf seinen schoss setze und mich kuessen wollte, kam mir die kotze hoch, ich wollte nur noch weg sein...
bis ich mit 20 jahren meinen damaligen freund kennenlernte, bei dem alles negative wie weggeblasen war. bei ihm fuehlte ich mich geborgen, verstanden, ich fuehlte mich so wohl, dass viele macken erst gar nicht zum vorschein kamen. die margeret hat schon recht, unser fehler ist, immer die gruende bei uns zu suchen, uns zu bestrafen, uns nicht zu verzeihen. wir sind genauso wert wie alle anderen nur unsere vorgeschichten sind anderst und gerade aus diesem grund sollten WIR uns selbst gut pflegen, auf uns selbst viel mehr WERT legen. ich glaube diese streicheleinhaten, was wir nicht von anderen bekommen kònnen, sollten wir uns selbst geben, anstatt uns zu bestrafen.

wir muessen lernen, mit unseren macken umzugehen. viele andere haben auch macken, vielleicht verschàrfter als unsere nur sie haben es gelernt, damit umzugehen, sie haben es akzeptiert, so dass sie dafuer sorgen, dass auch andere sie akzeptieren.

ich muss jetzt schluss machen freak.
ich finde dich toll!

miriam

Margarethe ( gelöscht )
Beiträge:

18.06.2001 19:31
#3 RE: Hospitalismus und die Motivationsfrage Thread geschlossen

was mir zu deinem Text einfällt, ist, daß du ein sehr beeindruckender Mensch bist.

Hospitalismus. Ich werde mich damit auseinandersetzen müssen, mein bisheriges inneres Lexikon gibt mir eine zu einseitige Vorstellung davon, was das Ganze ist. Ich sehe da nur Menschen verschiedenen Alters am Tisch sitzen und vor sich hinschaukeln.
Helfen im Sinne eines umfassenden Verständnisses und dem Aufweisen eines sinnvollen Weges könnte dir nur jemand, der erstens weit intelligenter sein müßte, als du es bist, weil du sonst deine bisherige Erfahrung immer dazu benutzen würdest, ihm die wirkliche Kompetenz abzusprechen und damit auch nicht mit seiner Hilfe da herausfinden könntest. Und der zweitens die Zeit und den Willen hat, dich zu erfassen, zu begleiten und letztlich zu lieben. Enttäuscht und zurückgewiesen werden die meisten Menschen in ihrem Leben, mehr als einmal zumeist. Die Folge ist oft einfach Verbitterung und Rückzug. Nun geht jeder anders damit um.
Die Beschreibung Deines "Zustandes" (entschuldige diesen kalten Ausdruck)hat mich an meine inneren Stereotypen autistischer Menschen erinnert. Ich will nicht sagen, daß du ein solcher bist, aber es gibt ja nicht nur Schwarz und Weiß, es gibt viele Grautöne. Es gibt nicht nur geistig krank oder gesund, gestört oder nicht. Es gibt sovieles dazwischen. Verpackt in solch (oftmals entwürdigend verkürzt klingenden) populären Statements wie: Genie und Wahnsinn liegen oft dicht beieinander.
Du bist so wie du bist ein einzigartiges, besonderes menschliches Wesen. Dein Wert bestimmt sich nicht dadurch, wie andere Menschen mit dir umgehen, sondern dadurch, wie du mit ihnen und mit dir umgehst. Sieh dich nicht als krank, nur weil du anders "funktionierst". Du hast es geschafft, einen Menschen so für dich einzunehmen, daß er sich eine Zukunft mit dir vorstellen konnte. Du hast es geschafft, dich einem Menschen trotz schlechter Erfahrungen soweit zu öffnen. Du hast den Mut gehabt, dich mit diesem Menschen zu treffen, um aus der Realität eurer Briefe, einen wirklichen vierdimensionalen Kontakt zu machen. Das ist schonmal eine Kraftleistung, die nicht viele vollbringen. Ich rede hier nicht von Chatter- und vielen ähnlichen(oft oberflächlichen) Zusammentreffen. Wenn man sich trifft, weil da etwas Emotionales im Spiel ist, dann ist das ganze sooo viel schwerer und verantwortungsvoller.
Deine Frage sollte erst sekundär an dich selber gehen. Zuerst steht die Frage, warum sie sich so verhielt. Sie hat sich ein Bild von dir gemacht, daß nicht mit deiner Persönlichkeit übereinstimmte. Sie hatte Erwartungen an dich, die du entäuschen mußtest, einfach weil sie kurzsichtig waren. Vielleicht hatte sie gehofft, dich "geheilt" zu haben, oder es zu können. Vielleicht stimmte wirklich einach die "Chemie" nicht, vielleicht hat deine Art zu blicken sie an jemanden erinnert, den sie auf den Tod nicht ausstehen konnte. Viele Menschen wollen das ganze Programm, wenn sie jemanden kennenlernen. Ein gewisses Äußeres kombiniert mit einem gewissen Inneren. Und wenn das nicht innerhalb der ersten drei Sekunden als kompatibel erkannt wird, dann ist der Zug abgefahren. Anderen ist das, was von innen kam soviel wichtiger, daß sie sich erst einmal von vielleicht unerwarteter Äußerlichkeit oder eigenartigem Verhalten nicht abstoßen lassen, und sich und dem anderen Zeit geben. Ich habe hier vor kurzem gepostet, weil in meinem Leben auch alles etwas kompliziert und halbgar ist. Es gibt einen Mann, den ich liebe, ich kann diese Gefühle nicht einfach abstellen, obwohl ich die Aussichtslosigkeit erkannt habe, es gab Phasen, in denen ich vor Kummer drei Tage nichts gegessen habe und soviel weinte, daß tatsächlich am Ende keine Tränen mehr da waren, ich war völlig vertrocknet. Dieser Mann, für den ich momentan noch mein Leben geben würde, fiel mir als wir uns das erstemal begegneten überhaupt nicht auf, und als ich mit ihm in der Anfangszeit zusammenstieß hielt ich ihn für schlicht und ergreifend hässlich. Er hat viel zu kurze Beine, die auch noch ziemlich krumm sind, kurze knubbelige Finger, ihm fallen kräftig die Haare aus, er ist über und über behaart (was ich inzwischen fast fetischisiert habe, aber zum damaligen Zeitpunkt abstoßend fand) usw. usw. Aber ich habe ihn nach und nach, obwohl er, was das Reden über Emotionen anbetrifft, zumindest mit mir immer seine Schwierigkeiten hatte, kennengelernt. Zuerst nur in kurzen Sätzen, fast beleidigenden Auseinandersetzungen, dann mehr und mehr sachlich, dann freundschaftlich, dann vertraulich. Und mit all diesem Näherkommen wuchs seine Attraktivität, ich glaube zuerst nur für mich, und dann auch nach außen. Was ich damit sagen will: Vielleicht ist deine Mailfreundin schlicht und ergreifend auch nicht das, was sie zu sein schien. Was letztlich in ihr vorging, wenn sie dir geschreiben hat, weiß nur sie selbst. Wenn sie oberflächlich ist, dann ist das nicht deine Schuld, und du solltest den Fehler nicht bei dir suchen. Wenn sie von soviel Bedeutung eurer Konversation spricht, aber dann nach einem einmaligen Treffen einen so gewaltigen Rückzieher macht, dann liegt es an ihr. Nimm es nicht als Argument gegen Dich. Du wirst mit ziemlicher Sicherheit noch vielen Menschen begegnen, die dich enttäuschen oder verletzen, aber wenn du dich davon einschüchtern läßt, und völlig zurückziehst, wirst du höchstwahrscheinlich auch nie dem Wesen begegnen, daß erkennt, was da in dir ist und das genau d a s will.
Ich hasse es zu klingen wie ein altes Weib, das mit Platitüden um sich wirft, aber leider bin ich sehr in Zeitdruck, ich weiß nicht, wann ich hier wieder vorbeischauen werde, aber ich schicke dir Gedanken, die dich trösten sollen und dich befähigen, dich so anzunehmen, wie du bist. Und, wenn das geschafft ist, dann hinauszugehen mit dem Gefühl für deinen inneren Wert, der automatisch kommen wird, wenn du dich nur gründlich betrachtest.

Margarethe

Freak ( gelöscht )
Beiträge:

20.06.2001 18:52
#4 RE: Hospitalismus und die Motivationsfrage Thread geschlossen

Hallo Margarethe -

zuerst meinen aufrichtigen Dank, daß Du Dir die Zeit genommen hast, meinen Beitrag zu lesen, Dir Gedanken dazu zu machen und - daß Du reagiert hast (ich hab den Beitrag auch in anderen Foren gepostet - Du aber bist die erste und bislang einzige, die überhaupt reagiert hat). Aber nenn mich bitte nicht beeindruckend - das bin ich nicht, ganz bestimmt nicht - zumindest fällt es mir schwer, das zu glauben. Du sagst, mein Wert bestimme sich nicht dadurch, wie andere Menschen mit mir umgehen - doch, alleine daran (und vor allem: wie ganz bestimmte Menschen dieses tun - nämlich die, für die ich jemals so tief empfinden konnte, daß ich es ihnen nach schweren Grabenkriegen letztendlich doch irgendwie mitteilen konnte) kann ich den Wert meines Seins noch ermessen. Was mein Verhalten meinen Mitmenschen gegenüber betrifft - nun, von meinem "Wesen" und Auftreten her soll ich "anständig", höflich, verständnisvoll, aufrichtig, verlässlich, vertrauenswürdig sein - das wurde und wird mir zumindest von einigen Arbeitskollegen "attestiert" und einem Menschen, der mich über zwanzig Jahre kennt, doch scheint auch das keine Rolle zu spielen. Das scheint eher zu animieren, einen anderen auszunutzten.

Ach, und ehe ich es vergesse: Du klingst nicht wie ein "altes Weib" - aber wie jemand, der sich ernsthaft Gedanken gemacht und das "Problem" erkannt hat. Es ist schade, daß Du nicht weißt, wann Du hier wieder vorbeischauen wirst, denn ich hätte gerne auch etwas zu Deiner Fragestellung gesagt, aber möglicherweise wird sie sich jetzt ja schon zu einem gewissen Teil erledigt haben - ich würde es Dir von ganzem Herzen wünschen, denn auf die Dauer würde es Dich ebenfalls frustrieren, fertigmachen und Dir eine bessere Zukunft verbauen können.

Die Manifestationen des Hospitalismus, die Dir bekannt sind, sind die bekanntesten - und zugleich die auffälligsten. Bei mir zum Beispiel (und ich kann hier nur von mir sprechen) äußerte sich das nach außen hin auffälligste Symptom zuerst (während meiner ersten Lebensjahre) darin, daß ich während des Schlafens mit dem Kopf stur auf mein Kissen schlug - gleichmäßig, rhythmisch, monoton. Mir selbst war das damals nie bewußt - bis ungefähr zu meinem zweiten Lebensjahr, als man mir nachts das Kissen wegzog und durch etwas anderes ersetzte, wodurch ich schlagartig und völlig verstört erwachte; ich mich auf der Straße verstärkt älteren Menschen zuwandte (meine Großeltern hatte ich nie kennengelernt), sehr auf meine Spielsachen bedacht war, nichts teilen konnte und recht anfällig für Kreislaufprobleme und Infektionskrankheiten war - tatsächlich diagnostizierte mein Hausarzt später ein vergleichsweise schwach ausgeprägtes Immunsystem. Doch das tut im Moment alles nichts zur Sache, zur "aktuellen" Manifestation der Störung gleich mehr. Ich habe lange überlegt, ob ich darüber schreiben soll - und mir am Ende gesagt, daß es eigentlich nicht verkehrt sein kann, vielleicht hilft es ja auch - wenn nicht mir, so doch vielleicht anderen, die ihr eigenes Sein und das anderer ähnlich "erfahren". Und nicht zuletzt scheinst Du Dich ernsthafter mit dieser "Störung" beschäftigen zu wollen - dazu werde ich Dich sozusagen mit "Primärliteratur" versorgen - mit der autobiographischen Schilderung eines "Freaks". Laß mich Dir nochmals für Dein Interesse, Deine Analyse und Deinen Zuspruch danken - ein kleines bißchen hast Du mir dadurch zumindest aus meinem aktuellen (Schwarzen) Loch helfen können, danke. Und ich hoffe, daß Du aus Deinem mittlerweile einigermaßen herauszukommen vermochtest - ehe es Dich ebenfalls vollends zu verschlucken droht.

Das Verhalten meiner "Mailfreundin" werfe ich ihr nach wie vor nicht vor. Sie hat - so sagt es mir mein "Weltbild" - nach ihrem einzigen Vermögen reagiert - das mache ich ihr wirklich nicht zum Vorwurf. Wie schwer es ist und welche Überwindung es kosten kann, "über sich hinauszuwachsen" und daß es manchmal einfach nicht geht, wie sehr man es auch will - das ist etwas, was ich selbst oft genug für mich erfahren habe. Ich denke, jeder Mensch hat seine ureigensten Grenzen, die er einfach nicht überschreiten kann, wie sehr ihm sein "Geist", sein "Verstand" auch anderes einreden möchte. Es gibt Dinge, die überschreiten einfach unsere Fähigkeiten - da steckt weder böse Absicht noch Oberflächlichkeit hinter, es ist einfach so. Und gegen "die Natur" handeln - das ist etwas, was niemand vermag. Jeder Mensch wird einen gewissen "Archetypus" seines potientiellen Lebensgefährten, eine Art Programmierung auf ein "Pendant" in sich tragen - einen Typus Mensch, mit dem alleine er sich "einlassen" kann, und wenn, wie Du schon sagst, das Innere mit dem Äußeren nicht übereinstimmt, ist es eben Pech (hm, umgekehrt scheint es sich manchmal anders zu verhalten: Wenn der Archetypus stimmt, scheinen sich nicht wenige alles von ihm gefallen zu lassen, was auch immer er ihnen antut - ob das auch zur "Programmierung" gehört?). Der Verstand mag einem dann sagen: OK, man muß ja keine intime Beziehung eingehen - aber die rein platonische, die ja zuvor bestand, müßte doch dennoch aufrechterhalten werden können? - Doch dies ist "Wunschdenken", das in der Realität an Grenzen stößt. Das Äußere - die "Attraktivität" mit all ihren chemischen Zusammenhängen - ist nun einmal das hervorstechendste in der Natur - und eigentlich auch das, was "normalerweise" einen ersten Kontakt begründet, besonders bei uns Menschen, und ich kann mir vorstellen, daß es gerade auch das ist, was in einem Menschen alles andere ersterben lassen kann, sich schlichtweg als übermächtig erweist. Was letztendlich der Grund für ihr Verhalten war - sie wäre die einzige, die mir diese Frage beantworten könnte, doch dazu müßte sie sich weiterhin (kritisch?) mit sich und mir auseinandersetzen wollen bzw. überhaupt können - und das scheint unmöglich zu sein. Insofern kann ich eine Antwort nur in mir selbst suchen - doch ob ich die "richtigen" Fragen stellen kann, das bezweifel ich. Das ist wahrscheinlich auch ein Grund, warum ich hier überhaupt geschrieben habe - weil meine eigenen Fragen mich nicht weiterbringen, ich in mir alles schon durchexerziert habe und mir der Austausch mit anderen Geistern, neue Denkanstößte, mir fremde Impulse und - Feedback fehlen. Vielleicht aber auch "nur", um einen neuen Kontakt herstellen zu können, der da anknüpfen kann, wo der letzte einfror, damit doch nicht alles umsonst war. Denn ich weiß im Moment wirklich nicht, ob ich mich jemals wieder einem Menschen so öffnen könnte wie bis vor kurzem noch - erst recht nicht, wenn ich wieder vollends in meine "alte Natur" zurückgefallen sein werde, gegen die ich mich momentan noch bis zu einem gewissen Grade wehren kann, gegen die doch noch ankommen zu können ich mir zumindest in diesen Moment einbilde.

--- Und gerade wird mir bewußt, daß meine "Ratio" schon wieder die Überhand gewinnt und alles andere in mir verebbt - und es stört, belastet mich ---

Die Wahrscheinlichkeit, daß ich - besonders diesem einen - anderen Wesen begegnen werde oder könnte, erscheint mir mehr und mehr aussichtslos. Warum, das werden vielleicht meine späteren Ausführungen vermitteln können - denn ich hatte mich schon vor gut 15 Jahren völlig zurückgezogen, damals konnte ich "einfach" nicht anders, und ich bin darin erstarrt. Dieser Zurückgezogenheit wieder zu entkommen - ja, selbst das vermag ich nicht mehr alleine. Und sogar vor 10 Jahren hoffte ich noch, durch einen Beruf würde ich daran etwas ändern können, doch selbst da war es schon zu spät.

Doch nun zu den anderen, "aktuellen" Manifestationen, denen, die weniger bekannt sind - und für den Betroffenen die am schwersten zu bekämpfenden. Ich habe das "Glück", daß ich es gegenwärtig - zumindest anonym - kann. Das ist nicht zuletzt das Verdienst o.g. Menschen - der mir gezeigt hat, daß andere zumindest willens sein wollen können, Verständnis oder Interesse dafür aufzubringen. Und vielleicht ist das auch gut, darüber "offen" zu schreiben - damit diese Störung vielleicht etwas bekannter wird und nicht nur von den sogenannten "Spezialisten" über sie geredet und geschrieben wird, die letztendlich doch nicht erfahren werden, was tatsächlich in dem Betroffenen selbst vorgeht. Sie können zwar einen Teil der Symptome beobachten - aber wie der Betroffene selbst sie erfährt, das werden sie nicht nachvollziehen, geschweigedenn vermitteln können. Und vielleicht hilft es auch Nicht-Betroffenen im Umgang mit "uns", kann sie für den Alltag sensibilisieren: Denn die Störung äußert sich weniger im direkt Sichtbaren als vielmehr im Umgang, in der Art und Weise, wie sich diese Menschen anderen mitteilen (bzw. nur mitteilen können), wie sie auftreten, was - zumindest in meinem Falle - irgendwie abschreckend wirken muß.

Die m. E. schwerwiegendste Manifestation ist, daß man, wenn man Pech und einfach kein "positives Feedback" im Leben erfahren hat, mit zunehmendem Alter zunehmend vereinsamt, daß es einem immer schwieriger fällt, an seinen eigenen "Wert", an sich selbst zu glauben (wenn das "Feedback" fehlt, wird es umso schwerer), daß es fast unmöglich wird, anderen Menschen vertrauen zu können, daß man seinen eigenen und den Empfindungen anderer nicht mehr glauben und über sie zum Schluß gar nicht mehr sprechen kann - zumindest nicht von Angesicht zu Angesicht. Man verliert jede Hoffnung, jeden Spass an (und auch die Fähigkeit zu) geselligem Beisammensein, jede Aufgeschlossenheit, die Freude am Leben und beschränkt sich schließlich darauf, nur noch zu "funktionieren" - sofern man vorher "geistig" nicht so sehr "abgebaut" hat (was de facto weniger eine geistige Demenz als ein restloser Rückzug in seinen eigenen gedanklichen Kosmos ist), daß man eingewiesen oder betreut werden muß. Denn solange man "funktioniert", wird man (zumindest in gewissen Lebensbereichen) nicht abgewiesen - und das ist die größte, die am tiefsten verwurzelte und lähmendste Angst des Betroffenen. Denn jede Ablehnung - sei sie sachlich begründbar oder nicht - bestärkt einen darin, zu nichts nutze zu sein - geschweigedenn "liebenswert" oder -würdig und macht ihm seine tagtägliche Einsamkeit und seine Störung bewußter als alles andere - was sich wiederum in seinem Verhalten manifestiert, denn er wird unsicherer, nervöser, zittriger, unruhiger, kurzum: Seine Störung schlägt sich auch äußerlich nieder. Auch transpiriert er verstärkt, hat ununterbrochen feuchte Hände, häufiger nicht-faßbare Beschwerden wie migräneartige Kopfschmerzen, was ihn ebenfalls belastet. Wird er von "Nicht-Vertrauten" angesprochen, steigert sich seine Verunsicherung sogar bis zu einer Art "Paralyse" - er stammelt entweder nur, spricht nur belanglosesoder zusammenhangloses Zeug oder verstummt vollends und grübelt relativ lange über eine Antwort, über eine angemessene, mögliche Reaktion. Doch das sind alles die Spätsymptome - sofern er, wie gesagt, nicht zu einem "Pflegefall" wurde.

Doch wie kommt es dazu? Ich verzichte auf die Ursachen (die sind gut dokumentiert), sondern beschränke mich darauf, auch hier anhand meines eigenen Beispiels "symptomatische" Situationen, Entwicklungen, Verhaltensweisen vorzustellen.

In früheren Jahren erscheint der Betroffene, wenn nicht direkt als "Gestörter", so doch als verschlossener "Langeweiler", mit dem Gleichaltrige nicht gerne umgehen, ihn nicht selten verspotten. Anders kann es sich bei Älteren verhalten, denn diese lernen andere Qualitäten an ihm schätzen: Seine Besonnenheit, seine Zuverlässigkeit, seine Ehrlichkeit, seinen "Witz" und "Charme", manchmal auch seinen "Intellekt" oder sein Wissen (alles nicht meine Worte). Denn in der Einsamkeit ist er - der "Intellekt" - oft das einzige, was einen von seinem allzu dumpfen, monotonen Dasein ablenkt ("Freunde" hat man bis dahin zumeist keine) - und relativ früh gefördert wird. Man entwickelt ein Interesse für alle möglichen Dinge - häufig Musik (die man entweder selbst macht und/oder über die man sich sehr viel Wissen aneignet), Literatur, Sprachen, Geschichte (später nicht selten auch die Psychologie, da man sich dort Antworten erhofft) usw. Nicht selten wird das "Interesse" so extrem gepflegt, daß man es darin zu einer gewissen "Meisterschaft" bringt und was längerfristig zu einem reinen Selbstzweck wird, denn dann denkt man nicht mehr so viel über sich und seine "Mitmenschen" nach, sondern beschäftigt sich nur noch mit Fakten.

Bis dahin schließt man sich auch nicht selten sogenannten "Subkulturen" an (ich war damals 11) - anderen, die ebenfalls mit der "normalen" Gesellschaft ihre Probleme haben und vermag eine gewisse Zeit, in ihnen regelrecht "aufzublühen" (zumindest, was den Aspekt der "Geselligkeit" betrifft, weniger den der intimeren Beziehungen) und bringt es sogar zu einem gewissen "Ruf" - sei es als Kuriosum (Alter), "Künstler" (Musik, Schreiben), Wissen (Spitznamen wir "Professor" sind nicht selten). Hier lernt man auch erstmals Alkohol kennen - und zu Beginn schätzen, denn er enthemmt bis zu einem gewissen Grade und läßt einen Vergessen. Aber auch das verselbständigt sich: Nicht selten betrinkt man sich bis zur Besinnungslosigkeit, wahrscheinlich nicht zuletzt deswegen, um "endlich" dem Säuferwahn zu erliegen, sich zu Tode gesoffen zu haben. Denn irgendwann beeinträchtigt der Alkohol zwar nach wie vor den Organismus, nicht aber mehr so sehr den Geist, man ist sich seines Zustandes bewußt, wird immer ruhiger und verfällt wieder ins Grübeln, das man dann durch weiteren Alkohol unterbinden will. Denn es geht einem sein ganzes, vergleichsweise junges Leben durch den Kopf, was bis dahin meist nicht sehr angenehm war und sich durch ein großes Maß an "Lieblosigkeit" auszeichnet. Doch schafft man es nicht, sich zu Tode zu saufen und hat vielleicht das "Glück", in der Schule sitzenzubleiben - dann reißt man sich zusammen und gibt man das Trinken wieder auf (wenn man Pech hat, haben die Eltern die Trinkerei zwar zur Kenntnis genommen, sich aber nicht weiter dafür interessiert, weil man - ihnen zufolge - "selbst die Erfahrung machen muß", was einen an den Rand des ausgesprochenen Alkoholismus bringen kann), um dann in der Schule verstärkt wieder "funktionieren" zu können, denn nicht zuletzt durch die "Ehrenrunde" wird einem schlagartig bewußt, daß man sich, wenn man sich nicht wenigstens in dieser Hinsicht zusammenreißt, spätere Zukunftsaussichten verbaut und bemüht sich wieder verstärkt um Anerkennung in der Schule, um einen "gutes Vorankommen", weil man hofft, daß einen dieses irgendwann einmal "weiterbringen" könnte. Und in der Schule macht man plötzlich eine neue "Erfahrung": Wurde man zuvor von seinen Gleichaltrigen weitgehend ignoriert, scheinen sie nun ein eigentümliches Interesse an einem entwickelt zu haben - doch spätestens nach einer weiteren "Ehrenrunde" (die diesmal weniger auf mangelhafte Leistungen als vielmehr ein gestörtes Verhältnis zu bzw. von Lehrern zurückzuführen ist - denn er ist kritisch, relativ selbstbewußt, unkonventionell geworden und weiß in einigen Bereichen besser bescheid als sie), wenn das vorhergehende Interesse plötzlich wieder verebbt, sagt er sich, daß es wohl nur der "Reiz des Neuen", des "Exoten" war, der dieses Interesse begründet hatte.

Versucht man, während dieser Zeiten (oder auch später) Beziehungen einzugehen, geht das für ein paar Tage, manchmal auch Wochen, bestenfalls - je nach Geduld des Partners - , "gut", aber dann enden sie aufgrund der Tatsache, daß man, wie einem dann schmerzhaft bewußt wird, ein gestörtes Verhältnis zu "emotionalen Bindungen" hat, daß man nicht fähig ist, diese auszudrücken (o ja, empfinden tut man durchaus, sogar sehr, sehr intensiv - aber man ist schlichtweg unfähig, es zu zeigen, geschweigedenn mitzuteilen - und leidet darunter mehr als unter allem andern). Und bekommt von seinen Ex-"Freundinnen" neue Spitznamen, einen neuen Ruf: Der, ein "Eisblock" zu sein, ein gefühlloses Ungeheuer, ein "Unfall der Natur" - was in jungen Jahren das seine zum Selbstwertgefühl und der Reaktion anderer auf einen selbst beiträgt (wenn es nämlich groß von den "Ex" propagiert wird) - und erneut zu einem verstärkten, mitunter jahrelangem Rückzug führt, denn das sind Vorwürfe, mit denen man überhaupt nicht umgehen kann - nicht umzugehen gelernt hat und die einem den letzten Rest Hoffnung zu nehmen vermochten. Und wenn er erneut Pech hat, sind die Umstände der letzten Beziehung - bzw. der Trennung - so perfide, daß sie einen restlos aus der Bahn werfen, er den Glauben an alles verliert und nur noch vor sich hinvegetiert. Er meidet Menschen, empfindet vor ihnen zunehmend eine gewisse Abscheu, Unsicherheit und Angst, und mutiert restlos zu einem "Eremiten", der sich nur noch seinen geistigen Interessen hinzugeben - und dadurch seinen emotionalen Schmerz zu lindern - vermag und an "Freundschaft", "Liebe" und andere nicht-meßbare Größen nicht mehr glauben kann. Er wird zu einem hoffnungslosen Pessimisten und kapselt sich ab. Und man redet sich ein, arrogant zu sein - denn dann erscheint jede weitere Ablehnung nachvollziehbar, begründet und weniger schmerzhaft. Vielleicht wendet er sich auch mit seiner altbekannten Genauigkeit der "Religion" oder der "Esoterik" zu - doch nur, um diese später vollends zu verwerfen.

Nach einigen Jahren - spätestens, wenn er in das Berufsleben einsteigt - wirkt der Betroffene auf "Außenstehende" kalt, gefühllos, schwächlich (denn er vernachlässigt auch zunehmend seinen Organismus), mechanisch, seelenlos, mitunter auch abschreckend rational (in einem Wort: auch vom "Wesen" her unattraktiv). Doch das sind letztendlich nur "Mechanismen", die man im Laufe eines Lebens kultiviert hat und - gegen die man irgendwann alleine nicht mehr ankommt, die einen dann zusätzlich behindern. Sie verselbständigen sich und beherrschen einen, und irgendwann nimmt man sich sogar selbst so wahr, glaubt nicht mehr an seine Empfindungsfähigkeit, an eigene tiefere Gefühle und negiert sie, wenn sie doch einmal aufkommen sollten - alles aus der einen tiefen Angst heraus, sie würden, wenn man sie dem anderen gegenüber eingestehen würde, nicht erwidert (genauer gesagt: vom anderen und sogar einem selbst nicht erwidert werden können), ausgenutzt, ihm womöglich sogar vorgeworfen werden.

Und sollten sich bei ihm wider Erwarten doch einmal wieder tiefere Emotionen einstellen und er sich ihrer nicht mehr ohne weiteres erwehren können - dann entwickelt er die absurdesten (?) Theorien, die ihm ermöglichen, sie bis zu einem gewissen Grade ignorieren zu können, indem er sie ebenfalls auf bloße chemisch-physikalische Mechanismen reduziert. Und manchmal wird er beinahe wirklich zu dem kalten Rationalisten, gesteht nur noch dem "Geist", dem "Verstand" und der Logik einen Stellenwert zu - und beginnt, sich zusätzlich zu hassen und zu verachten, da seine Seele und sein Organismus sich dem nicht einfach unterwerfen lassen, sie eigene Bedürfnisse haben - zum Beispiel dem nach Zuwendung und einer schlichten Umarmung (was für sich schon etwas ist, auf daß er Jahre, wenn nicht Jahrzehnte verzichten mußte). Doch wehe, wenn es ihn dann doch einmal richtig "erwischt"! Dann bricht sein ganzes Gedankengebäude zusammen, er verliert auch noch den letzten Rest Vertrauen in sich und sein Weltbild, verrennt sich - mitunter monatelang - in immer wildere Spekulationen, geht alles exzessiv im Geiste durch, entwickelt womöglich wieder etwas Hoffnung, kämpft mit aller Kraft gegen seine "zweite Natur" an - und gewinnt vielleicht sogar, zumindest in sich selbst und für den alles entscheidenden Augenblick, in dem er seine Gefühle endlich einmal akzeptiert und sie offenbaren kann. Und er spricht sie aus - von Angesicht zu Angesicht, so gut er kann. Wenn er Glück hat - keine Ahnung, was dann passiert. Hat er jedoch Pech und ist er "an die Falsche" geraten - dann verfällt sie (wenn auch nicht sofort - anfangs mag sie ihn für seine "Offenheit" und "Stärke" sogar bewundern) in Panik, bezichtigt ihn hinter seinem Rücken, ein Psychopath zu sein und tut alles, andere vor ihm zu warnen. Und erneut verfällt er in seine innere Lähmung - gibt sich völlig auf und wird so, wie ich es eingangs schilderte. Er verliert jede Hoffnung, daß er oder sonstein Mensch jemals wieder fähig sein könnte, doch irgendwann einmal soviel für den anderen empfinden zu können, daß er noch einmal die Kraft finden könnte, gegen "seine zweite Natur" anzukämpfen, aus seinem "Panzer" aus- oder der andere dort einzubrechen - und er endlich wieder Freude am Leben entwickeln kann und endlich seinen Emotionen freien Lauf lassen kann, einen anderen daran teilhaben lassen kann. Denn in seinem maßlosen "Rationalismus" ist ihm bewußt, daß nur er selbst - und das auch nur mit einem Menschen, dem er und der ihm wirklich etwas bedeutet - gegen diese Natur ankämpfen, er sie nur dann dauerhaft besiegen kann. Doch dazu steht er sich letztendlich selbst im Weg.

Das ist meine Wahrnehmung, meine ureigenste Erfahrung dieses Phänomens - und ich wundere mich selbst darüber, wie "emotionslos" ich in diesem Moment darüber schreiben kann. Doch auch das ist eines der möglichen Manifestationen: Sich selbst soweit abstrahieren zu können, daß man sich gleichsam "unbeteiligt" wahrnehmen kann (oder dieses meint) - und das bis in die frühesten Jahre. Aber dagegen ankommen - alleine - , das übersteigt das eigene Vermögen völlig.

So, ich hoffe, ich habe nicht vollends den Faden verloren und niemanden zu sehr gelangweilt, aber es erschien mit am Ende doch wichtig, es niederzuschreiben.

Frage mich niemand, warum; mir selbst erscheint es plötzlich zunehmend absurder, fragwürdiger---

Freak

Margarethe ( gelöscht )
Beiträge:

27.06.2001 20:47
#5 RE: Hospitalismus und die Motivationsfrage Thread geschlossen

Hallo Freak, wie versprochen habe ich mich etwas umgesehen, was Hospitalismus betrifft, irgendwie habe ich allerdings Schwierigkeiten, dich da unterzubringen. Natürlich kann ich mir eine Biographie deinerseits vorstellen, bei der sich hospitalistische Züge entwickelt haben könnten, aber da fast in jeder Definition die mangelnde oder eingeschränkte Intelligenz der Hospitalisierten betont wird, verwundert mich doch, daß du das bei d i r diagnostizierst. Klärst du mich auf?

G.
ein Beispiellink

Freak ( gelöscht )
Beiträge:

28.06.2001 03:14
#6 RE: Hospitalismus und die Motivationsfrage Thread geschlossen

Hi Margarethe,

daß es den Hospitalisierten an Intelligenz mangelt, halte ich, ehrlich gesagt, für ein Gerücht, wenngleich für ein gut dokumentiertes. Denn die Verfahren, die angeblich die Intelligenz eines Menschen feststellen, hängen von einem sehr großen Teil von der Bereitschaft des zu Testenden ab, mitzuarbeiten - und diese Bereitschaft mag bei den Hospitalisierten, für die ein Intelligenzmangel angenommen wird, noch nicht oder nicht mehr gegeben sein. Zudem wird der vermeintliche Intelligenzmangel vorwiegend bei zwei Gruppen von Hospitalisierten diagnostiziert (auf die die Forschung sich übrigens auch zu beschränken scheint): Einmal bei Kleinkindern, bei denen die Symptomatik ohnehin buchstäblich offensichtlicher ausgeprägt ist als beim "langfristig" Hospitalisierten, die zweite Gruppe ist die der Betroffenen, bei der die Hospitalisierung erst in späteren Jahren unter extremen Bedingungen und über einen vergleichsweise kurzen Zeitraum (einige Monate) erfolgte. Für beide wird jedoch angenommen, daß sie sich "der Außenwelt" zunehmend entziehen, teilnahms- und interesselos werden. Bei dem Kind äußert es sich sozusagen in einer unbewußten Selbstaufgabe, beim Erwachsenen wird sie mehr oder weniger bewußt wahrgenommen.

Was in der Forschung wenig Beachtung findet, sind die "weniger extremen" Fälle, bei denen der Hospitalismus im Kleinkindalter (ich nehme jetzt einmal den Zeitraum vom 6. bis zum ca. 18. Lebensmonat an, innerhalb dessen es bei mir erfolgte) zwar festgestellt wurde, die aber, nachdem sie wieder ihren Familien zugeführt wurden, nicht weiter beobachtet oder für eine Diagnostik auffällig wurden. In meinem Falle kann ich mich daran erinnern, daß mein Vater mir nachts (ich schlief noch im Laufstall im elterlichen Schlafzimmer) beispielsweise das Kissen weggezogen und manchmal durch etwas Hartes ersetzt hatte, damit ich aufhörte, im Schlaf mit dem Kopf auf es zu schlagen. Gleichzeitig legte mein Vater von kleinauf an sehr großen Wert darauf, seine Kinder zu "geistigen" Höchstleistungen zu "drillen", vorzeitig einzuschulen, jede Leistung - wie gut sie auch bewertet wurde - vor uns und anderen zu kritisieren, ließ uns täglich aus der Tageszeitung schwierige Artikel und Worte vorlesen und schreckte auch nicht vor "Strafmaßnahmen" zurück, wenn wir uns - seiner Meinung nach - als "dumm und faul" erwiesen hatten. Unsere Mutter erschien in dieser Konstellation als sehr schwach und anfällig - sie fürchtete die Launen unseres Vaters nicht weniger als wir, benutzte anfangs selbst mehr als einmal den Rohrstock und traute sich bis in unsere späten Jugendjahre nicht, dagegen anzugehen. Erst als sie ihm später einmal mit der Polizei drohte, sollten sich seine Gewaltausbrüche in Grenzen halten.

In gewissem Sinne werden zumindest wir es wohl ihm zu "verdanken" haben, daß wir (meine Schwester und ich) uns - vom Intellekt her - scheinbar "erwartungsgemäß" entwickelt haben, doch emotional hat er uns immer das Gefühl geben (und es uns später auch wissen lassen), daß er Kinder eigentlich nie haben wollte.

Die Symptome, die bei meiner Schwester und mir über die Jahre beobachtet werden können, sind in gewissem Sinne klassisch, nur haben sie sich bei uns von kleinauf (bei mir während des ersten, bei meiner Schwester während des fünften Lebensjahrs) eingestellt und - was die psychischen Auswirkungen betrifft - über die Jahre noch verstärkt.

Ich glaube nicht, daß man allen Hospitalisierten eine mangelnde Intelligenz unterstellen darf. Allen Hospitalisierten scheint eine gewisse "Weltfremdheit" eigen zu sein, und ich vermute, daß ihre geistige "Flucht" vor ihrer subjektiven Realität ab einem gewissen Punkt - sofern sie daran nicht völlig zugrunde gegangen sind oder vielleicht auch dazu dispositioniert sind - eine vesrtärkte "Vergeistigung" erklären könnte, die durchaus zur Schulung und unbewußten Überbewertung des "Intellekts" beitragen mag, wohingegen die Fähigkeit zu einer Art "emotionalen Interaktion" völlig auf der Strecke bleibt.

Ich hoffe, ich konnte Dir mein Erklärungsmodell einigermaßen verständlich machen - ich habe selbst sehr lange darüber nachgedacht und keine andere Erklärung für dieses vermeintliche, der "Lehrmeinung" offensichtlich widersprechende Paradoxum finden können.

Meine besten Wünsche - und danke,

F.

Maja ( gelöscht )
Beiträge:

22.06.2001 00:47
#7 RE: Hospitalismus und die Motivationsfrage Thread geschlossen

Hallo Freak,

ich hatte bisher keine Zeit dein umfangreiches Schreiben durchzulesen, aber nun habe ich es gemacht :-)
Die Geschichte mit der Internet-Frau wiederholt sich täglich und immer wieder, du bist also nicht allein. Du hast auch ganz sicher nichts falsch gemacht, das ist aber sehr schwer die Virtualität und die Realität abzugleichen. Ich habe auch sehr viele Menschen über das Internet kennengelernt, zwar keine *Liebesgeschichten* gehabt, aber freundschaftliche Beziehungen aufgebaut, über Mails und Chats...Wenn man sich dann irgendwann gegenüber steht, dann kann es zweierlei passieren: entweder das geht nahtlos so weiter und man gewinnt noch einen guten Freund/Freundin oder in deinem Fall eine eventuelle Lebenspartnerin, oder es ist einfach nur komisch, es geht einfach nichts, man hat sich plötzlich nichts mehr zu sagen...ist einfach so...
Ich finde trotzdem dass du so bleiben sollst wie du bist, das einzigste was bei dir noch *stört* ist eigentlich dein Unvermögen dich zu öffnen, dich zu entspannen und dich zu mögen. Du denkst zu viel und lässt den Gefühlen kaum Platz, du beobachtest dich zu viel und lässt dich nicht einfach leben. Man kann sogar sagen du hast dich fast in die Einsamkeit reingedacht, malüberspitzt formuliert...
Zu spät um was zu ändern ist es nie, du kannst es immer noch tun, zumal das gar nicht viel ist was du ändern sollst...eigentlich musst du nur lernen dich zu entspannen und dich zu mögen, nicht mehr...wenn du entspannt bist, dann bist du auch gelassener...und wenn du einen guten Psychologen/Psychologin findest (die gibt es ganz sicherlich!) dann kannst du dich endlich aus deinen selbsgeschmiedeten Käfig auch rauslassen. Wenn du lernst dich zu mögen, dann wird das für andere auch kein Problem mehr darstellen.
Um dich entspannen zu lernen empfehle ich dir Qi Gong zu machen, ich habe es selber nicht geglaubt wie einfach das geht und wie schön das ist...das heisst du musst nicht glauben dass das funktioniert, du machst das und hinterher bist du einfach entspannt. :-) Kurse gibt es meistens in Volkshochschulen, wenn du magst und mir sagst wo du wohnst, kann ich versuchen das für dich rauszufinden.
Und dein Wert wird nicht dadurch bestimmt was anderen in dir sehen, sondern das was du wirklich bist. Natürlich kann das nicht jeder gleich erkennen, besonderst dann nicht, wenn man sich so gut tarnt wie du das machst...
So viel fürs erste, vielleicht magst du dich doch an einer Therapie ranwagen...? Aber auf keinen Fall um dich zu ändern, sondern nur um zu dir zu finden und dich zu mögen. Ich habe dir hier ein Link zu Psychotherapie Suche aufgeschrieben.
Und die Motivationsfrage braucht man sich gar nicht zu stellen, schöner leben, glücklich sein, entspannt sein, Freunde haben, eines Tages auch Lebenspartner, das ist alles möglich...es ist nie zu spät :-))

Alles Gute und Gruß,
Maja


Psychotherapie-Suche

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