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Dieses Thema hat 4 Antworten
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22.10.2013 06:11
RE: Vom Kopfmensch zurück zum Gefühlsmensch? Antworten

Hallo,

hier in diesem Forum scheint recht wenig los zu sein.
Naja, derzeit ist mein Tagesrythmus wirklich im Arsch und so liege ich heute nach wach und mir geht viel durch den Kopf, aber auch durchs Herz.

Wie man weiter unten lesen kann, habe ich meine Mom vor einigen Monaten an Lungenkrebs bzw. an den Folgen eines schweren Schlaganfall verloren.

Diese Geschichte ist sehr traurig für mich.
Das einzig "positive", jetzt nach einigen Monaten in der ich Zeit hatte alles mehrmals zu durchleben ist, dass ich glaube ich bin durch den extremen Schmerz den ich empfinde, viel näher bin zu meinen Gefühlen, als die vielen Jahre davor.
Ich konnte seit vielen Jahren davor nicht mehr weinen z.B. auch wenn ich richtig Schmerz hatte.
Es war komisch und wunderte mich selbst, aber es kamen immer nur einige Tränen.
Bereits als ich am 2. Weihnachtstag von meiner Mom erfuhr, dass man im Röntgenbild Lungenkrebs entdeckt hatte, traf mich das so heftig, dass ich quasi literweise am Flennen war.
Als mir das erste mal im Hospiz dann Wochen später klar wurde, dass sie bald sterben würde, geschah etwas das ich bis dahin nie erlebte.
Dieses "Weinen" kam nicht aus dem Oberkörper.
Diesmal war es eher wie "Husten" bei dem die Luft die ich dabei fast stundenlang ausatmete nicht aus der Lunge kam, sondern viel- viel weiter unten im Körper.
So fühlte es sich an. Die Luft kam eher aus dem Unterbauch, dem Becken...
Das war dann mehrmals so bis ein paar Wochen nach ihrem Tod.

Kennt das jemand? Es war als ob ich viel Luft aus dem Unterbauch aushustete. Das war mir völlig unbekannt.

Seit ihrem Tod gehen mir viele Sachen durch. Es ist ein neuer Lebensabschnitt, denn bis zu ihrem Tod war sie meine einzige Familie mit der ich eine wirklich enge Bindung hatte. Zwar wird seither der Kontakt zu meiner älteren Schwester und meinem Vater wesentlich besser und auch viel enger, dennoch ist es ein neuer Lebensabschnitt.

Ich spüre heute, dass ich irgendwie näher zu meinen Gefühlen bin.
Ich fragte mich, warum ich vorher nicht diese Nähe hatte.

Ich wurde mit einem sehr schweren Geburtsfehler geboren. Mit offenem Bauch und offener Blase. Zigfach wurde ich operiert. Viele OPs waren so riesig, dass ich morgens um 6Uhr in den OP geschoben wurde und abends um 20Uhr auf der Intensivstation wieder aufwachte. Eher tot als lebendig, mit quasi komplett umgebauten Bauch. Diese OPs waren von Geburt an, bis weit ins Erwachsenenalter.
Aber es waren nicht wirklich die OPs, sondern diese eine Untersuchung, bei der die Blase gespiegelt wurde und mit Kontrastmittel gefüllt, um unter mehrfachen Röntgenbildern entleert zu werden.
Diese Untersuchung war der Horror für mich. Mom erzählte mir, dass ich bereits mit 3 Jahren dabei vor Schmerzen in Ohnmacht fiel.
Damals waren wohl nur ganz wenige Kliniken in der Lage diese Fehlbildung zu behandeln. So versammelten sich dann wöchentlich, Mittwochs die betroffenen Kinder in dieser Kinderurologieambulanz.
Man machte bei mir diese Untersuchung quartalsweise, die ganzen Jahre bis ins Erwachsenenalter.
So musste ich diesen Horror 4 mal im Jahr aushalten und über mich ergehen lassen!
3 Stunden Autofahrt in denen ich nur betete, dass heute keine dieser Untersuchungen gemacht wird. Warten in der vollen Ambulanz bis man zum Arzt kam, der einem sagte, dass man diese Untersuchung macht. Dann wieder eine Stunde oder so vor diesem Röntgenraum. Dabei hörte man aus dem inneren dieses Raums, raus auf dem Gang die "Vorgänger" schreien, wobei mir klar war, dass auch ich bald wieder dran war.

Als Kind habe ich nie wirklich geschwitzt wie als Erwachsener. Nach dieser Untersuchung war aber immer der komplette Untersuchungstisch und meine Klamotten davor voll geschwitzt- derart Angst hatte ich.
Ich möchte niemandem zu nahe treten und vll. sollte ich diesen Vergleich nicht machen, aber für mich persönlich war es eine "Vergewaltigung"
Diesen Schlauch durch die Harnröhre zu legen war im Intimbereich, mit höllischen und nicht zu ertragenden Schmerzen(Keine Anästhesie, weil die das Verhalten der Blase beinflusst hätte beim Befüllen), worauf man absolut keine Lust hatte und am liebsten stundenlang gelaufen wäre- das man aber über sich hat ergehen lassen müssen.
Einzig wurde keine Gewalt angewendet.

Ich glaube bei diesen vielen, vielen Untersuchungen musste ich lernen die Angst zu kontrollieren und eben dadurch auch meine Gefühle beiseite schieben um mich diesen Qualen stellen zu können,zu müssen, auch wenn ich derart Angst davor hatte.

Ich habe aber auch mehr wegen der Krankheit erleben müssen. Ich war lange Zeit völlig Inkontinent und war ständig mit richtig heftig verpissten Hosen unterwegs.
Das war schade.

Im Jugendalter, mit 15 Jahren tat sich dann das nächste Problem auf. Ich lernte meine erste "Freundin" kennen. Ich war weder verliebt noch wirklich interessiert an ihr. Einzig die Neugierde dies und das zu versuchen war wichtig.
Bei diesem Geburtsfehler ist typisch, dass der Pimmel zu kurz für GV ist.

Nicht schön und heute wäre es möglich einen Penis operativ zu konstruieren. Das wäre aber dann ähnlich aufwendig wie bei einer Geschlechtsumwandlung.
Da ich heute aber schon einen Puls von 200 bekomme, wenn ich nur einen Untersuchungsraum oder einen OP-ähnlichen Raum im Krankenhaus sehe und fast panisch werde, müsste ich mich sehr überwinden um mich diesen OPs zu stellen.



Ich glaube dadurch traten die Gefühle in den Hintergrund und ich verlernte oder musste lernen nichtmehr zu folgen.

Das sollte sich mit den Jahren heftig rächen.

Mit etwa 24 Jahren war meine letzte große OP geplant.
Als ich auf der Station aufgenommen wurde war diese hübsche Krankenschwester in meinem Alter die mir sofort auffiel. Ich fiel ihr wohl auch auf und so unterhielten wir uns gleich. Da bei der OP erneut Darm verwendet wurde im die Blase künstlich zu vergrößern, war eine lange Vorbereitung nötig. So war ich schon vor der OP etwa 2 Wochen dort. Dabei besuchte sie mich auch privat im Zimmer und wir telefonierten teilweise für Stunden abends.
Für mich war es damals wohl Liebe auf den ersten Blick, denn ich war die ganze Zeit vor der OP aufgeregt und konnte den kompletten Tag über nicht mehr als einen halben Semmel essen. Sowas hatte ich seither nicht mehr.
Sie sagte z.B. dass wenn ich fertig bin, direkt im Anschluß zu ihr kommen sollte.
Ich war mir aber nicht wirklich sicher damals, wie ich das aufnehmen sollte.
In meinem Inneren waren riesige Turbulenzen, Schmetterlinge im Bauch, doch damals konnte ich das nicht einordnen und ich hatte einfach immer im Hinterkopf diese Angst nicht genügen zu können weil ich noch damals etwas inkontinent war und eben auch nicht Vögeln konnte, weil der Pimmel zu kurz war.
Schon das begann mich innerlich zu zerreißen.

Am Tag der OP wurde ich dann von einem Pfleger, der auch in unserem Alter war in den OP gefahren. Dahinter war sie und schob ein anderes Bett. Im OP dann beachtete sie mich überhaupt nicht und verabschiedete sich nicht von mir, sondern redete nur mit diesem Pfleger.

Mir wurde erst viel später klar, dass mich das verletzte und meine Zweifel an ihr größer machte.
Das muss mich wirklich getroffen haben, denn im Anschluss, wieder auf dieser Station ging ich diesen Pfleger richtig verbal an.
Mir war das aber nicht bewusst.

Jedenfalls zweifelte ich danach sehr an ihr und begann mich ablehnend ihr gegenüber zu verhalten, obwohl ich derart große Gefühle für sie hatte, dass ich nur bei ihr hätte sein wollen.

Das war ein richtiger Kampf den ich mit mir führte und diese Gespaltenheit zwischen meinen positiven, damals riesigen Gefühlen ihr gegenüber und den Zweifeln an ihr, aber auch der Angst verletzt zu werden, gaben den Ausschlag.
Ich wurde ihr gegenüber ablehnend und auch verletzend.

Daheim dann war diese Zerissenheit noch viel größer. Wir telefonierten dann noch ein wenig, wobei ich irgendwie versuchte so zu wirken, als ob ich keine Gefühle für sie hätte, obwohl sie damals riesig waren in meiner Erinnerung.

So konnte ich auch damals nichts essen. Anfangs konnte ich das aus Freude, dann aus dem Gegenteil- ohne mir aber nichtmal im Ansatz klar zu sein, was da mit mir passierte.
Ich wusste nicht was mit mir los war.
Heute wäre mir sofort klar, dass das Liebe war- auf den ersten Blick schon.
Damals fühlte ich etwas ganz großes in mir, was mich zu ihr hin ziehen wollte- was ich aber nicht bewusst wahrgenommen habe.
Auch die Zweifel waren wohl groß die mich dazu brachten dagegen anzukämpfen...
Aber auch sie waren mir nicht bewusst.
Einerseits versuchte ich mich anzunähern, andererseits war ich völlig ablehnend.

Mir ging es wochenlang extrem elend. Ich nahm von 90kg bis auf ca. 70 oder 65kg ab.

Ich glaube diese Zerissenheit führte dann auch dazu, dass ich in der Folgezeit immer öfter heftige Albträume bekam.
Sicher hat sich vorher auch schon viel in meiner Seele angesammelt, aber ich glaube diese Zerissenheit löste dann aus, dass ich im Anschluß jahrelang, quasi jede Nacht schreiend im Schlaf erwachte.
Ich schrie aus vollem Hals "Hilfe, Hilfe" und rannte im schlaf aus dem Bett los und prallte gegen Schränke, Türen, Wände.

Nicht viel später zog ich in ein Studentenheim in einer anderen Stadt. Dort war es sehr, sehr hellhörig und so muss ich wohl jede Nacht meine Nachbarn aus ihrem Schlaf gerissen haben, wenn ich wieder schrie im Schlaf.
Ich schämte mich dafür sehr und zog mich mehr und mehr zurück.
Ich trauerte damals aber auch sicher für drei Jahre dieser Krankenschwester nach.

Ich wurde heftig depressiv.
Aber auch das nahm ich nicht wirklich wahr, obwohl es aus meiner Sicht heute absolut offensichtlich war, dass ich ernsthaft krank war.
Ich fühlte mich nur beschissen.

Ein Arzt dann schickte mich in Psychotherapie und zum Glück nahm ich, trotz fast total fehlender Krankheitseinsicht, wegen meinem beschissenen Gefühl innerlich daran teil.

In den Jahren folgten dann mehrere Terapien.

Ich hatte dann in den Folgejahren Beziehung, eine davon mehrjährig, mit gemeinsamer Wohnung.
Ich war in Liebe und es war super und erfüllend.
Aber derart, dass ich wochenlang nichts essen kann wie damals im Krankenhaus, weil es in mir vor Freude brodelt, hatte ich nicht wieder. Vielleicht war es diese "erste Liebe" die wohl bei Vielen besonders einschlägt. Es war definitiv heftig.



Jep... naja, wie ich oben schrieb, glaube ich das der Tod meiner Mutter eine Art "Türe" zu meinem Inneren eröffnete.
Ich fühle auch genau wo meine Gefühle im Körper sitzen, sozusagen.


Vielleicht doch etwas positives an dem Krebserkrankung meiner Mom.

HELP ( gelöscht )
Beiträge:

22.10.2013 06:38
#2 RE: Vom Kopfmensch zurück zum Gefühlsmensch? Antworten

Ja und so gehen mir seit dem Tod meiner Mom einige Sachen durch, die ich wohl jetzt auch aus einem neuen Blickwinkel sehen kann und nachfühlen kann.

Ich muss mich im Krankenhaus wirklich komisch verhalten haben Ich weiß noch wie ich bereits ganz wenige Tage nach der großen OP mit operiertem Bauch und riesen Schmerzen aus dem Bett gekrochen war und den Stationsflur auf und ab "wandelte" um dieser Frau zu begegnen.

HELP ( gelöscht )
Beiträge:

22.10.2013 06:44
#3 RE: Vom Kopfmensch zurück zum Gefühlsmensch? Antworten

Hoffentlich gehts ihr gut
Sicherlich heute verheiratet, Kind, Haus usw.

Hätte sie damals gerne besser kennen gelernt.
Keine Ahnung, ob es überhaupt sowas gibt, dass es für zwei Menschen gleichzeitig Liebe auf den ersten Blick gibt?

Ich bereue dass ich mich meinen Gefühlen entgegen verhalten habe.
Ich versuche aber jetzt ständig auf mein Bauchgefühl zu hören.

HELP ( gelöscht )
Beiträge:

22.10.2013 07:24
#4 RE: Vom Kopfmensch zurück zum Gefühlsmensch? Antworten

Eben der Versuch in etwas schrecklichem trotzdem was positives zu sehen.
Mal sehen was die Zukunft bringt

H. ( gelöscht )
Beiträge:

22.10.2013 07:49
#5 RE: Vom Kopfmensch zurück zum Gefühlsmensch? Antworten

Alles bald Jahrzehnte her und heute völlig unwichtig, aber es ist wohl normal nach dem Tod einer sehr nahen Person nochmal zurück denken.
Die Zeit von der Diagnose bir zu ihrem Tod im Hospiz, als ich quasi 24Std./Tag bei ihr war und auch danach waren wirklich anstrengend.

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Erstellt im Forum Psychotanten - Eingang zum Forum von MrNo99
1 01.02.2009 11:14
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